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Grand Capucin – Schweizerführe

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Die Entscheidung ist gefallen: Grand Capucin – Schweizerführe

Der ungefähre Routenverlauf der Schweizerführe am Grand CapucinIch war erstaunlich ruhig in der Nacht vor der großen Tour auf den Grand Capucin. Schließlich gilt er doch als der schwierigste zu ersteigende Berg der Alpen. Der Normalweg, die Schweizerführe, bewegt sich im VII. UIAA-Schwierigkeitsgrad und damit bietet der 3838m hohe Grand Capucin keinen leichten Anstieg.
Vielleicht war ich so ruhig, weil ich bis dato nie zu träumen gewagt hätte hier einzusteigen, ist doch mein und auch Dennis‘  Kletterkönnen zwar nicht unbedingt unter den klettertechnischen Anforderungen, aber definitiv noch unter den Anforderungen der notwendigen routinierten alpinen Sicherungskenntnisse. Schließlich sind in der gesamten Tour außer ein paar alten Rostgurken und ganz vereinzelt einigen Bohrhaken nur die Standplätze gebohrt. Alles andere dazwischen ist selbst durch Friends und Keile abzusichern. Mit Thomas hatten wir allerdings einen doch erfahrenen Mitstreiter am Seil. Thomas hatte mir sowieso schon seit Tagen den „Floh“ ins Ohr gesetzt, dass dies doch eine geniale Tour wäre. Ich hielt das nie für richtig ernstgemeint, aber das war es wohl und schließlich schaffte er es auch mich, durch seine gebetsmühlenartigen Wiederholungen von dieser Tour zu überzeugen. Dennis war sich zwar vor allen Dingen wegen seines noch nicht vollständig verheilten Bänderrisses etwas unsicher, aber auch er ließ sich auf das Abenteuer ein.

Grand Capucin – Schweizerführe

Der Wecker klingelte früh um 6:15 Uhr und wir begangen mit den üblichen, morgendlichen Vorbereitungen. Das herausschälen aus den warmen, molligen Schlafsäcken stellt dabei immer die erste Hürde dar. Anschließend standen wieder Schnee schmelzen, Haferbrei kochen und packen auf der Tagesordnung. Währenddessen zogen bereits drei Seilschaften, kommend vom Rif. Torino, an unserem Zeltplatz vorbei. Wie sich später herausstellen sollte, wollten diese auch in die Schweizerführe. Weitere Seilschaften stiegen in andere Routen ein, sodass an diesem sonnigen Tag Hochbetrieb am Grand Capucin herrschte. Um 7:15 Uhr zogen auch wir dann los und da wir nahezu direkt am Wandfuß campten, war unser Zustieg dann doch sehr kurz. Nach bereits 15 Minuten standen wir am Bergschrund, welcher sich trotz des großen Lochs verhältnismäßig einfach durch Abklettern in die Spalte überwinden ließ. Der anschließende, 45° steile Firnhang war dann schon herausfordernder, insbesondere da wir auf Thomas gehört hatten und nur Steigeisen angezogen, das Eisgerät aber am Zelt gelassen hatten. 1. Lektion für mich an diesem Tag: Richte dich immer nach deinen Erfahrungen und nicht denen anderer. 🙂  Dennoch meisterten wir dann, dank guter Stufen, den Hang bravourös und das Adrenalin schoss Dennis und mir das erste Mal an diesem Tag in die Adern. Ein Sturz in dem Firnhang hätte nämlich unweigerlich einen Sturz in die tiefe Randkluft zur Folge und wäre ohne Eisgerät nie zu bremsen gewesen. Daher waren wir froh als wir vom Firnhang auf die ersten Felsstufen queren konnten und wieder „sicheren“ Boden unter den Füßen hatten.
Schon war der erste Standplatz in Sicht und nach kurzer Blockkletterei auch erreicht.Dort deponierten wir einen Rucksack mit unserer Gletscherausrüstung, tranken noch etwas und begannen dann mit der großartigen Kletterei in festem, gelben Granit.

Thomas in der 1. SeillängeFlo kurz vorm Stand der 3. SeillängeThomas schwebte die erste Seillänge im Bereich 4a hoch und auch Dennis und ich waren zügig im Nachstieg am nächsten Standplatz. Schnell fischte Thomas nur ein paar Cams von Dennis‘ Gurt und schwupps war er wieder unterwegs. Lektion 2 an diesem Tag: Verschwende keine Zeit in langen Alpintouren. 🙂
Die nächste Seillänge war dann nochmals etwas leichteres Gelände, bevor dann in der dritten Seillänge eine solide 5c+ über eine Rissplatte folgte, welche auf einem kleinen Podest endete.

Hier genossen wir alle den tollen Ausblick auf die umliegenden Gipfel und unser immer kleiner werdendes Zelt.

Tiefblicke auf unser Zelt Flo machts sich am Stand bequem

In Seillänge 4 wartete dann auch schon die schwierigste Seillänge der Tour auf uns, ein sehr strukturarmer Handriss. Unterhalb des Risses war direkt der Standplatz wo wir schließlich die erste Seilschaft vor uns einholten.  Ab hier bewegten wir uns eigentlich nahezu im Stau, da auch die vorgehende Seilschaft bereits auf die anderen zwei vor ihnen aufgelaufen war.

Thomas in der Schlüsselseillänge der SchweizerführeDennis im Nachstieg der Schlüsselseillänge (4. Seillänge)Thomas stieg quasi dem Nachsteiger hinterher in die Seillänge ein und versenkte mit nahezu blinder Sicherheit einen perfekten Cam nach dem anderen in dem Riss. Ich hatte im Nachstieg dann doch zu kämpfen. Schließlich war 6b meine obere Leistungsgrenze und Granitkletterei will auch gelernt sein. Mit etwas „A0’en“ (Festhalten an der Expresse) ging es dann aber auch für mich an der strukturarmen Wand den Riss entlang hoch und glücklich aber ausgepumpt erreichte ich den Standplatz oberhalb des Risses.
In Seillänge 5 begann direkt vom Standplatz aus rechts die Crux mit einem kleinen, wulstartigen Überhang, welcher solides Anpacken und Vertrauen in seine Tritttechnik notwendig machte. Wir konnten diese 5c-Stelle gut meistern und danach in einer weniger anspruchsvollen Rinne schnell Meter machen. Der Standplatz war dann wieder ein schönes, kleines Podest.

Thomas im Einstieg zu Seillänge 5Dennis am Stand mit Aussicht

Generell sind bis auf einen alle Stände in der Schweizerführe richtig erholsam. 🙂

Die 6. Seillänge war dann nochmal richtig schöne Kletterei durch eine große Verschneidungsrinne, welche griffig und gut kletterbar war.

Den Weg konnte man hier kaum verfehlen und landete dann nach gut 35 Metern auf der großen Terrasse. Hier könnte man ohne Probleme biwakieren und auch in die Route „O Sole Mio“ wechseln, welche hier mit der Schweizerführe zusammentrifft.

Auf der Terasse in der SchweizerführeThomas in Seillänge 6 der Verschneidungsrinne
Geniale Aussicht vom Gran Capucin auf den gegenüberliegenden GranitturmThomas kurz vorm Einstieg in Seillänge 7

Die 7. Seillänge führte uns erstmal noch in der Schweizerführe in offensichtlicher Linie nach oben und wir erreichten nach etwas anspruchsvoller Plattenkletterei (6a), in welcher sogar einmal 2 Bohrhaken steckten, den Stand rechts der Kante. Die Aussicht war immer noch phänomenal und wir genossen jede Sekunde.

Dennis am Stand von Seillänge 6Flo im Nachstieg von Seillänge 7

In Seillänge 8 folgte ein sehr schöner (Hand-)riss im Grad 6a+ bevor wir dann nach gut 20 Metern an einem Schlingenstand wieder im tiefsten Stau feststeckten.Hier wären wir eigentlich in die „O Sole Mio“ gequert, um das Technodach der Schweizerführe zu umgehen. Nunmehr hatten wir quasi drei Seilschaften eingeholt und direkt vor uns, es war doch bereits kurz nach 14 Uhr und wir hätten noch 2 schwere und eine leichte Seillänge vor uns. Dazu drei Seilschaften, welche nicht gerade zügig unterwegs waren, immerhin sind wir als Dreierseilschaft gut eine Stunde nach den ersten eingestiegen und haben diese eingeholt. Wir wollten zudem an dem Tag noch das Zelt abbauen und rüber zum Rif. Torino laufen, damit wir am nächsten Tag den Rochfort-Grat gehen konnten.

Wir kalkulierten also:
Mindestens zwei Stunden noch auf den Gipfel, dann hätten wir aber die drei Seilschaften in der Abseilpiste auch vor uns. Also mindestens zwei Stunden abseilen, eher mehr. Wir wären also vor 18 Uhr sicher nicht am Zelt. Abbauen und packen sowie mit 25kg Gepäck pro Person über tiefen und warm-matschigen Gletscherschnee zurück zur Hütte; nochmal mindestens zwei Stunden. Wir wären also sicher vor 20 Uhr (eher später) nicht auf der Hütte, müssten dann vermutlich betteln, dass wir noch was zu essen bekommen (Abendessen gibt es um 18:30 Uhr) und dann direkt ins Bett.
Eine andere Option wäre eine weitere Nacht im Zelt, Essen hatten wir genug, Gas auch. Dann wären aber der Rochfortgrat und der Dent du Géant am nächsten Tag ausgefallen und ab Mittwoch sollte das Wetter kurzzeitig schlechter werden. Wir würden uns also diese drei Seillängen mit dem Verlust ein bis zwei anderer Touren erkaufen.

Abseilen nach Routenabbruch

Die Entscheidung: Abbruch der Schweizerführe und Rückzug

Wir trafen also die schwerste aller Bergsteigerentscheidungen und traten trotz gutem Wetter den Rückzug an. Wir alle waren nicht begeistert aber wussten, dass es die richtige Entscheidung war. Ich muss uns Dreien als Team ein riesen Kompliment aussprechen, dass wir diese Entscheidung alle gemeinsam mitgetragen haben, auch wenn mir ein Blick in Thomas Augen gezeigt hat, dass ihm das besonders schwer fiel. Das finde ich großartig und hat mir gezeigt, wie wichtig gute Bergkameradschaft ist.
Lektion 3 an diesem Tag also: Steige immer vor den ersten ein und laufe lieber früher los. Gerade bei derartig kurzem Zustieg hätten wir etwas aus unserem Standortvorteil machen müssen.
Lektion 4: Verhalte dich immer besonnen und bescheiden, auch wenn es dir schwer fällt. Der Berg läuft nicht weg, verzeiht aber unter Umständen auch wenig Fehler. Halte deinen Zeitplan also ein und trete zur Not den Rückzug an, auch wenn es schwer fällt.

Nach 5 Abseillängen und noch einem „Seilabzugverklemmer“, zum Glück in der letzten Länge, wo über leichtes Gelände das Seil schnell befreit werden konnte, erreichten wir gegen 16:15 Uhr wieder unser Zelt. Schnell alles abgebaut, Rucksäcke geschulter und ab ging es zum Abendessen auf das Rif. Torino, wo wir pünktlich um 18:30 Uhr eintrafen.

Hardfacts zur Tour:

Grand Capucin – Schweizerführe 6b (ED-, 6a obl.), 10 bis 12 SL je nach Länge und Zustand des Firncouloirs am Einstieg, 415m
Erstbegehung: Asper/Bron/Grossi/Morel 1956
Material: Camalots 0.3-3, Klemmkeile 1-8, 2x50m-Seile, komplette Eisausrüstung

Wundervolle Risskletterei in bestem Granit, welcher durch verschiedene Risssysteme und Verschneidungen der einfachsten und logischten Linie auf den Grand Capucin folgt. Zustieg zum mehr oder weniger offenen Bergschrund dank Zeltplatz am Fuße des Grand Capucin schnell möglich. Anschließend folgt ein 45-Grad-Couloir, gefolgt von zwei leichten Seillängen im 4. UIAA-Schwierigkeitsgrad. Danach in anhaltender Schwierigkeit im 6. und 7. UIAA-Grad in perfektem gelben Granit gen Gipfel. Die Route wechselt dabei von der Ostseite auf dei Westseite des Grand Capucin, sodass man nahezu immer in der wärmenden Sonne klettern kann. Laut unserem alten Führer von 1984 war die Route wohl früher mit über 150 Haken eingenagelt, mittlerweile stecken aber nur noch vereinzelt Rostgurken, ansonsten muss man komplett selber absichern. Dies ist allerdings dank des tollen Granit nahezu immer möglich. Die Standplätze sind meist recht komfortabel und alle perfekt mit BH eingebohrt. Vor dem Technodach ist ein Wechsel in die O Sole Mio zu empfehlen, da ansonsten technisch geklettert werden muss.

Einen guten Topo findet man bei unserem Bloggerkollegen mdettling.

Zum Abschluss eine kleine Anekdote von diesem Abend noch am Rande:

Thomas und ich standen grade im Materialraum und verstauten unsere Sachen, da meinte er plötzlich zu mir: Ich könnte wetten der Ueli (Steck) ist hier! Ich fragte ihn wie er jetzt darauf kommt und er meinte nur „Ich möchte mal behaupten, dass unter den normalen Bergsteigern keiner einen Vollcarbon-Pickel hat.“ Und in der Tat, der Pickel war so leicht, dass ich es kaum glauben konnte. Angekommen beim Abendessen grinste ich dann Thomas an und meinte nur „Du hattest Recht, da links von uns am Tisch sitzt er wirklich.“ (Anmerkung: Ueli Steck war zu dem Zeitpunkt zwei Tage auf der Hütte für sein Projekt 82 4000er. Er absolvierte am Folgetag erfolgreich den Teufelsgrat und den Tag danach passierte leider die Tragödie mit Martijin Seuren am Rochfortgrat. Von dieser Seite nochmals herzliches Beileid an die Familie und Hinterbliebenen.)

Die Artikelserie zum Alpenurlaub 2015

Dieser Artikel ist Teil drei unserer Artikelserie zum Alpenurlaub 2015.
Teil 1: Hochtourenurlaub in den Westalpen: Mont Blanc Gebiet
Teil 2: Tour Ronde Südostgrat statt Nordwand
Teil 4: Himmelsleiter: Der Rochefortgrat und Dent du Géant
Teil 5: Mont Blanc Überschreitung by fair means

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Flo
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2 Comments

  1. […] Dieser Artikel ist Teil zwei unserer Artikelserie zum Alpenurlaub 2015. Teil 1: Hochtourenurlaub in den Westalpen: Mont Blanc GebietTeil 3: Grand Capucin – Schweizerführe […]

  2. […] Dieser Artikel ist Teil eins unserer Artikelserie zum Alpenurlaub 2015. Teil 2: Tour Ronde Südostgrat statt Nordwand Teil 3: Grand Capucin – Schweizerführe […]

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